Seit Tagen warte ich darauf, sagen zu können ok., countdown läuft. Aber weit gefehlt.
Meine Krankenkasse hat die stationäre Einweisung des Arztes abgelehnt. Begründung: Sie zahlen keine Kur- oder Rehabilitationsmaßnahme. Ein Ortwechsel ist nicht nötig. Meine Probleme ließen sich mit 30 Stunden Kurzzeittherapie erledigen.
Btw. Ich glaube, diese 30 Stunden haben wir bereits im vorab aufgebraucht. Als der Doc mich im Spätsommer zum ersten Mal sah, meinte er: Wir können nicht warten und fangen gleich mit Doppelstunden an, wann ich mein Geld bekomme, interessiert mich nicht, sie brauchen jetzt Hilfe.
Als ich das gestern nachmittag erfuhr, war ich zunächst wie paralysiert.
Ok., du bildest dir das alles nur ein und jetzt hast du es schriftlich.
Es gibt Schlimmeres, hab dich nicht so.
Durchhalten.
Du hast ein Luxusproblem.
Jetzt ist alles vorbei.
Vor mir ist das Nichts. Ich muß nur den nächsten Schritt hinein machen.
Reichen die Tabletten? Fraglich. Wahrscheinlich würde ich nur drei Tage durchschlafen.
Aber es ist genügend Paracetamol da, um ein Pferd umzubringen. An Leberversagen krepieren? Das ist wie Rattengift schlucken.
Springen geht wegen der Höhenangst nicht und ich will hier nicht raus. Ich will in geschlossenen Räumen bleiben.
Dem Freund das Bad mit spritzendem arteriellem Blut versauen? Der hat doch schon ein Problem, wenn Milchschaum an der Düse der Kaffeemaschine klebt.
Bißchen viel Wünsche für jemanden, der eigentlich so schnell wie möglich wunschlos sein will, oder?
Du hast ein Kind. Das Kind ist schon erwachsen, aber es baut auf dich. Du kannst dich nicht wegnehmen. Wenn du dich auf diese stümperhafte Art zu heilen zu heilen versuchst, reißt du in jemanden, der noch viel Leben vor sich hat, eine große Wunde. Nein. Es geht nicht.
Ich fühle mich gestraft. Zurückhaltend, diszipliniert, behalte ich alles in mir. Verberge es, bis ich irgendwann explodiere und/oder zusammenbreche. Einmal nur auf die anerzogene Haltung verzichten, auf das innere Preußentum.
Ich erzähle niemandem von der Ablehnung der Klinikeinweisung. Das Kind kann ohnehin nichts machen und macht sich schon viel zu viel Sorgen um mich. Auch wenn sie letztens von mir verlangte, daß ich ihr rechtzeitig sage, wenn bei mir was nicht stimmt, ich bringe es nicht übers Herz, sie zu beunruhigen.
Der Freund ist beim Skifahren und wenn er abends anruft, spiele ich ihm etwas vor. Ja, prima, mir gehts gut, hab einiges gearbeitet, war spazieren, schönes Wetter hier… Er hat vor sechs Wochen seinen seit Jahren geplanten Amerikaurlaub abgebrochen, weil sein Bruder krank wurde und weil es mir nicht gut ging und fühlt sich ohnehin sehr schnell für alles verantwortlich.
Dem Doc habe ich die Ablehnung am Freitag nachmittag per Mail geschickt. Ich hätte sicher zusätzlich anrufen können, aber ich wollte ihn kurz vorm Wochenende nicht belästigen.
Die drei Tage bekomme ich rum. Bücher. Fernsehen. Matratzengruft. Badewanne. Sofaecke. Das Geld reicht für den Asia-Lieferservice. Käse, Milch und Butter sind im Haus.
Was wäre, wenn ich einen solchen Todesangstanfall bekäme wie vor zwei Wochen? Ich müßte mich selbst einliefern. Die innere Stimme sagt: das geht nicht. Die Pflichten. Jemand muß am Montag die Mailboxen kontrollieren, reagieren und du hast die Leitfäden für das Kind, das dich vertreten wird, noch nicht geschrieben. Angst, daß ich selbst durch den unperfekten Misthaufen nicht mehr durchsehe, den ich in den letzten zwei Jahren aufgetürmt habe.
Andererseits: Ich habe vor 16 Jahren auch in der Nebensaison völlig unvorbereitet den Laden meiner Chefin übernommen, als sie für sechs Wochen ins Krankenhaus ging. Es geht also.
Was mache ich mit der Krankenkasse? Gleich den Anwalt anrufen, damit ein böser Brief rausgeht? Oder die theatralische Tour? Zusammenbruch, Notaufnahme, Transfer in die Privatklinik?
Alles ignorieren? Meinen seit langem gebuchten Flug in den Urlaub doch benutzen? Den Freund besuchen, dem ich schon lange abgesagt habe, mit der Begründung, es ginge mir beschissen, das wolle ich ihm nicht zumuten?
Keine Ahnung.