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Die Sonne ist zurückgekehrt. Wenn der Wecker klingelt, ist es sogar schon eine Andeutung von hell. Ich habe meinen ersten geschäftlichen Gesprächstermin in knapp 3 Wochen. Höchste Zeit also, daß der Hypochonder, der mit ein paar anderen Chaoten meine innere WG teilt, nachhaltig Aufmerksamkeit fordert.
Die Drehschwindelanfälle sind Bestandteil meines Lebens geworden. Wenn ich seitlich in Richtung Nachttisch greife, schräg aufstehe oder mich auch nur einfach im Bett umdrehe, ist mein Hirn im Schleudergang. Dazu habe ich mitunter ein taubes Druckgefühl auf den Ohren, manchmal Tinnitus auf einem. Stehe ich mit geschlossenen Augen auf beiden Beinen, fange ich an zu schwanken, auf einem Bein zu stehen geht gar nicht. Es wird also höchste Zeit, diese Übungen zu machen, die die Innenohrsteinchen oder was auch immer wieder an den richtigen Platz rücken.
Manchmal bedauere ich mich, dieses arme kranke Wesen, manchmal bin ich fest entschlossen, diese brachialen Symptome mit der lächerlichen, gutartigen Ursache einfach zu ignorieren. Schließlich bin ich auch um eine langwierige Rückenmalaise herumgekommen, indem ich einfach vergessen habe, daß eine Bandscheibe auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist.
Die zweite Nacht zu Hause war sehr ok. Wir waren im Kino und siehe da, es klappte. Obwohl der Saal bis auf den letzten Platz ausverkauft war, obwohl wir einzeln saßen (mitunter hatte ich in den letzen Wochen ein Problem, irgendwo in einer Menschenmenge allein gelassen zu werden), obwohl scheinbar Dieter Hallervorden mit einer Frau neben mir saß, jeden Gag noch mal wiederholte und Kommentare abgab, als säße er vor dem Fernseher – ich amüsierte mich vortrefflich.
Der Tiefschlag kam am Sonntagmorgen. Ich saß mit dem Gefährten und zwei anderen Leuten, die mir nur flüchtig bekannt waren, in einer Konditorei am Rüdesheimer Platz. Unser Gesprächsthema war unverfänglich. Gelegentliche Treffen zu mentalen Selbstentwicklung, die Klammer sei das gemeinsam absolvierte Training. Nach einer halben Stunde Gespräch / Plauderei / Konversation tauchte ich immer mehr weg. Ich muß mit schafsdämlichem Gesichtsausdruck an die Decke gestarrt haben, als mich die anderen fragten, ob irgendetwas wäre. Ich erklärte mich kurz: Konzentrationsprobleme wegen Burnout, auf Urlaub aus der Klinik und das Gespräch ging weiter und mir wurde bewußt, warum ich weggetaucht war. Ich verstand zwar die Sätze, die gesagt wurden, konnte aber Rede und Gegenrede in keinen Zusammenhang bringen und damit dem Gespräch nicht folgen. Manchmal schnappte ich ein Wort oder einen Satz auf, zu dem ich etwas sagen konnte. Das war dann recht fundiert und brilliant, aber völlig aus dem Zusammenhang gerissen.
Wie eine Großmutter, die am Tisch immer mal dazwischenkräht, absurde Sentenzen zum Thema äußert, aber nichts mehr mitbekommt.
Als mir das klar wurde, packte ich fluchtartig meine Sachen, ließ mir ein Taxi rufen und fuhr nach Hause. Dort legte ich mich ins heiße Badewasser, bis mein Zittern nachließ und schlief stundenlang, bis der Gefährte zurückkam.
Ich hatte Glück, daß mir das in einem völlig unverfänglichen Zusammenhang passierte. Wenn das ein beruflicher Termin gewesen wäre…
Ich war in Gruppen nie eine gute Gesprächsteilnehmerin. Entweder ich rede, höre zu oder leite das Gespräch. Konversation und Small Talk sind mir zuwider, weil ich dazu unfähig bin. Vorlesungen konnte ich selten folgen, weil mir die eigenen Gedanken dazwischenhauten. Ich habe schon immer lieber gelesen oder zugesehen. Daß sich diese kleinen Schrullen in ein solches Defizit ausweiten, erschreckt mich. Ich hoffe, es bleibt ein einmaliges Ereignis. – Obwohl es mir zu Weihnachten, beim Besuch meiner Eltern ähnlich ergangen war, aber da hatte ich die Anspannung als Ursache gesehen.

Meine Mitbewohnerin ist derzeit etwas spooky. Sie hat an der Geschichte mit der geplatzten Hochzeit noch ziemlich zu knabbern, zumal der Typ wieder aufgetaucht ist und sie zurückwill. Sie keift Leute, die sie nicht mag, laut an und kompensiert den Rest mit ruppigem Füttern und Versorgen von Menschen , die sie mag. Von ihrem Übernachtungstraining zu Hause reiste sie mit drei Päckchen Schweineschmalz an, bei deren Anblick ich betete, daß ich sie nicht aufessen muß (extra für dich mitgebracht!). Heute Nachmittag backt sie zwei Käsekuchen: „Einer nur für uns beide!“ Beim Frühstück stellte sie eine Flasche zuckerfreien Karamellsirup auf den Tisch: „Für unseren Kaffee.“ Ich habe einmal im Leben bei Starbucks Milchkaffee mit Karamellsirup getrunken und das reichte dann auch. Nun auch noch das reine zuckerfreie Chemieprodukt, das angekokelt schmeckt. Urgs.
Zudem hinter läßt sie überall Blutspuren. Auf der Klobrille, auf einem Handtuch, das auf dem unbenutzten Stapel liegt – und das, obwohl sie derzeit nicht menstruiert. Ich werde wohl nach Wundmalen Ausschau halten müssen.