Widerstand

war das Thema der Maltherapie. Ich bin sehr froh, daß ich mich mittlerweile auf mein Assoziationsorgan verlassen kann. Ich muß nichts mehr malen wollen und trotzdem entsteht am Ende ein Bild.
Warum mir bei Widerstand das Schlußbild von Spurlos verschwunden (nicht mit dem unsäglichen Hollywoodremake zu verwechseln) einfiel, weiß ich nicht. Es war ein Gedankenblitz. Die POV des erwachenden Helden, die dunkle Leinwand, das heftige Atmen und sinnlose Kämpfen mit dem geschlossenen, erdbeschwerten Sarg auf der Tonspur und die Erkenntnis, daß die Lösung des Film alle Annahmen vorher bestätigt: der Mörder begräbt seine Opfer bei lebendigem Leib.
Ich habe ein wissenschaftliches Schaubild gemalt. Sonne, blauer Himmel, Blumen als Nebensache nur angedeutet. Dann einen hiesigen Bodenhorizont – lehmige, sandige Erdschichten. Dabei auch einen Schnitt durch einen Sarg, in dem eine Gestalt zusammengerollt liegt. Ich weiß nicht, warum ich die Gestalt nicht habe kämpfen lassen. Letztlich ist sie mir entspannt schlafend entstanden.
Ich hatte – auch um die Mitpatienten nicht zu verschrecken – sofort eine verdächtig eloquente Erklärung parat. Ich referierte über die Angst der viktorianischen Epoche, lebendig begraben zu werden. Über ihren gesellschaftlichen Kanon der unbedingten Affektbeherrschung. Über die Intimität des Heims, das Entspanntheit im Rahmen des Schicklichen ermöglichte. Was das Schickliche war: das komplette Ausblenden von Sexualität.
Über diesem Sermon vergaß ich wissentlich, über mich zu sprechen. Daß Haltung bewahren für mich ein hoher Wert ist. Daß ich Gefühle nicht gern zeige. Daß ich auf der Suche nach Intimität bin, sie aber in meinem jetzigen Heim nicht finde und daß ich dort nur unter dem Preis der kompletten Ausblendung meiner Sexualität geduldet bin. Über meine Rückzüge, die zwar Entspannung, aber auch Isolation bringen, von der ich befürchte, daß es einen Moment gibt, in dem ich nicht mehr zurückkommen kann.