Zwischenzeit

Manchmal geht es nur darum, über etwas hinwegzukommen. Nicht im Sinne von Bewältigen von etwas Vergangenem, sondern von geschicktem Überwinden von etwas Gegenwärtigem, das sich vor einem auftürmt. Ich sprang in den Stromschnellen der Zeit von Stein zu Stein hinüber zum Ufer des neuen Jahres.
In den Raunächten hörte ich im Schneegestöber die Eulen von den Bäumen rufen und redete mir ein, es sei Tag; ich hätte mich nur zum Mittagsschlaf hingelegt, es wäre nur eine kleine Ruhezeit ganz für mich und nicht die gebieterische schwarze Nacht, die es verlangt, totenähnlich im Bett auszuharren, bis der Himmel zögerlich heller wird.
Zum Silvesterabend hatte ich mich perfekt maskiert. Die Augen Mitternachtsblau und Silber, die Jochbeine Zartrosé, die Lippen in stumpfem Pfirsichbeige. Schwarzes Kleid, diskreter Schmuck, höchste Schuhe. Allein die Oberarme sind trotz Schwimmen und Laufen in der Kälte etwas, nun ja…, die Medikamente eben. Man hätte mich in einem Eisblock einfrieren sollen, dann hätte sich das kleine Ich hinter der Person, die ihre Haltung wahrt, einfach aus dem Festraum geschlichen. Ich hatte das dringende Bedürfnis, mich in der Geborgenheit und Wärme eines vertrauten Körpers zusammenzurollen und so den Jahreswechsel am Himmel anzusehen.
Dieses Vakuum zwischen den Jahren ist zwar emotional unkalkulierbar, aber für mich äußerst wertvoll, weil es meine einzige berechtigte dienstfreie Zeit des Jahres ist. Doch die Zwischenzeit endet bald. In vier oder fünf Tagen beginnt die Residenzpflicht meiner beruflichen Persona wieder. Das mobile Büro ruft.