Der Rückschlag war heftig. Meine Aufmerksamkeitsspanne beträgt wiederum nur eine Stunde, ich bin aufgedreht und todmüde zugleich. Bei meinen Trainingsausflügen in die Welt bin ich mit meinen Systemen, in die ich zurückkehre, kollidiert. in statu quo res erant ante bellum Meine Umgebung hat meinen inneren Prozeß nicht mitvollzogen – wie auch.
Der einzige Mensch, der ohne Probleme meine Veränderung akzeptiert, ist meine Tochter. Vielleicht hilft es ihr beim Gang ins Erwachsensein. Andere begrüßen meine äußere Gesundung, finden aber die innere bedrohlich. Sie hatten sich mit mir als depressiver Person, durch die sie quasi hindurchgehen konnten, angefreundet. Auch ich merke, daß ich meine alte Rolle nicht mehr spielen kann, aber in mancher Hinsicht noch kein Gefühl für meine neue Rolle habe.
Während ich im Privatleben offen mit meiner Erkrankung umgegangen bin, habe ich sie im beruflichen Umfeld weitestgehend verschwiegen. Das hat den Vorteil, daß Klatsch und Spekulation von mir nicht noch zusätzlich genährt wurden. Es hat den Nachteil, daß alle erwarten, daß ich funktioniere und reagiere wie vorher, nur fitter und belastbarer, wegen des langen Urlaubs, den ich vorgeblich hatte.
Es gibt Arbeitspartner, mit denen ich mich ohnehin gut verstehe, bei denen wird eine Veränderung höchstens ein „aha!“ oder „endlich!“ auslösen und es gibt Leute, denen ich meine Aufmerksamkeit gerade bockig verweigere, weil sie schon wieder quengelnd an meinem Rockzipfel zerren.
Ich habe beschlossen, mit den selektiven, individuellen Ausreden für meinen dreimonatigen Arbeitsausfall aufzuhören. Ich werde meinen Klinikaufenthalt von nun ab offen ansprechen, wenn auch ohne Details. Wer dann mit mir nichts mehr zu tun haben will, soll gehen.